Die Hierarchie

 

Resonierende Empfindungen können uns hauptsächlich
durch Hierarchien bewusst werden

 

14.1.2015

 

Gestern erhielt ich eine E-Mail von einer Frau, die mir "folgt" (siehe unter "Folge mir"). Sie hatte das Bedürfnis, auf meine Fragen meines letzten Blog-Eintrags vom 12.1. (Das Phänomen) zu antworten.

 

Ihre Mail machte mir bewusst, was mir fehlt. Und bisher hatte ich (tendenziell unbewusst) darauf gehofft, dass andere Menschen dieses Fehlende ergänzen, wenn sie sich mit den Resonierenden Empfindungen intensiver auseinandersetzen und sich logisch überlegen, wie denn eine Welt aussähe, in der dieses Phänomen in unserer Gesellschaft bewusst und komplett in unseren Alltag integriert wäre.

Doch nun, wo mir das Fehlende bewusst wurde, konnte ich heute Nacht selbst danach suchen - und bin auch im ersten Schritt fündig geworden. Es ist noch nicht der Weisheit letzter Schluss - aber ein möglicherweise "großer" Schritt.

 

... doch eins nach dem anderen ...

 

Zuerst möchte ich kurz über die E-Mail der Frau berichten. Sie hat mir erlaubt, sie anonym zu zitieren.

Ich hatte die Frage: "Wieso wird [das Resonanz-Phänomen] in den öffentlichen Medien immer wieder als 'Esoterik' oder als 'Humbug' abgewertet oder kaum beachtet oder einer 'Sekten-Form' zugeordnet? Wieso wird es nicht Teil unseres alltäglichen Lebens?"

Sie schreibt dazu unter anderem:

"... Ich habe diese Art von Resonanz auch schon (in Deinen Seminaren) erlebt, es hat mir sehr geholfen und ich bin sehr beeindruckt von diesem Phänomen. Nun bin ich sehr eingebunden in das, was man alltägliches Leben nennt. Ich arbeite in zwei Jobs, studiere, kümmere mich um Haushalt, Familie und kämpfe um meine finanzielle Existenz. Kurz gesagt, ich bin seeeehr beschäftigt. Mir bleibt keine Zeit, diesem Phänomen verstärkt nachzugehen, es zu untersuchen und zu entwickeln. ... Ich denke, anderen Menschen geht es ebenso. Andere wiederum sind (noch) nicht offen dafür, oder brauchen sogar keine Resonanz in ihrer momentanen Lebensphase. Sie leben so vor sich hin und haben schlichtweg keinen Bedarf."

 

Ihre Sichtweise, dass andere "keine Resonanz brauchen" oder "keinen Bedarf" haben, machte mir mit einem Schlag bewusst, was ich bisher noch gar nicht kommuniziert hatte, einfach weil ich es für selbstverständlich hielt, dass jeder diesen "logischen Schluss" aus den Resonierenden Empfindungen zieht.

 

Mein Ziel ist nicht, dass die Menschen eine "Resonanz-Methode" kennen- und einsetzen lernen. Mein Ziel ist nicht, dass Menschen vermehrt Aufstellungen durchführen, sondern mein Ziel ist es, den Fischen im Wasser einen Schritt bewusster machen zu können, dass sie sich im Wasser befinden und überall Wasser ist.

Die Resonierenden Empfindungen sind keine "Methode", sondern sie sind immer und überall vorhanden - uns ist es nur nicht bewusst, weil wir schon permanent damit leben. Wir haben sie, wenn wir uns um unseren Haushalt und um unsere Familie kümmern, wenn wir um unsere Existenz kämpfen, wenn wir uns im Job mit Kollegen auseinandersetzen müssen, wenn wir etwas studieren etc.

 

Nun stellt sich die Frage: Warum sind uns die Resonierenden Empfindungen im Alltag kaum bewusst, werden aber bei Aufstellungen oder bei solchen Demos, die ich am 12.1. beschrieben habe, so deutlich?

 

Und hier ist meine Antwort: Aufgrund von Hierarchien.

Wo eine Hierarchie vorhanden ist, werden auch Resonierende Empfindungen wahrnehmbar.

Wo kaum eine Hierarchie vorhanden ist, sind zwar die Resonierenden Empfindungen ebenfalls vorhanden, jedoch so unbedeutend, dass sie von uns nicht wahrgenommen werden.

 

Wie benutze ich das Wort "Hierarchie" an dieser Stelle?

Ganz neutral - ohne negative Bedeutungsgebung. Synonyme: Rangfolge, Rangordnung, Stufenordnung, Ranggliederung.

Ich bin mir bewusst, dass viele Menschen mit Hierarchien Negatives verbinden, weil sie in Hierarchien negative Erfahrungen gesammelt haben - besonders wenn der Chef oder die oberste Ebene schmerzvoll und mit wenig Empathie gehandelt hat. Das ist für die in der Rangfolge untergeordneten Menschen nämlich schmerzlich. Warum? Wegen der Resonierenden Empfindungen!

 

Lassen wir das aber einen Moment bei Seite - und schauen neutral auf die Hierarchie. Es ist einfach nur eine bestimmte "Ordnung", eine Unterordnung und eine Überordnung. Die Menschen / Dinge sind in einer Hierarchie einander unter- bzw. übergeordnet. Schmerzfrei.

 

Wie bin ich darauf gekommen, dass Hierarchien im Zusammenhang mit den Resonierenden Empfindungen eine große, sogar entscheidende Rolle spielen?

Weil ich mir den Bereich genau angeschaut habe, in welchem uns Menschen Resonierende Empfindungen das erste Mal bewusst wurden: Systemische Aufstellungen.

Hier steht in der Hierarchie das Problem oder das Anliegen einer Person ganz oben (= Chef) - und die Stellvertreter, die sich diesem Problem/Anliegen unterordnen, stellen ihre persönlichen Ziele hinten an, stellen sich für das Anliegen dieser Person komplett zur Verfügung - und können dann in sich selbst Resonierende Empfindungen identifizieren. Die Person kann dann bestätigen, dass diese Empfindungen mit dem Problem/Anliegen in "Resonanz" zu schwingen scheinen, denn das Problem/Anliegen bildet sich genau so in den Empfindungen der Stellvertreter ab, wie es die Chef-Person kennt und zuordnen kann.

 

Bisher dachte man, dass beim Aufstellen ein "Wissendes Feld" entsteht. Ich behaupte, dass uns durch diese Hierarchie die überall und immer vorhandenen Resonierenden Empfindungen erst richtig bewusst werden.

 

Im Folgenden zähle ich Euch auf, wo wir im Alltag Resonierende Empfindungen wiederfinden.

 

Zu Beginn möchte ich auf dieses Video hinweisen, auf einen TV-Spot gegen Rassismus.

 

 

https://www.youtube.com/watch?v=0y74mI-32k4

 

Was ich mit diesem Video zeigen möchte: Der Steward befindet sich in "Resonanz" mit der Frau. Die Frau grenzt den Afrikaner aus, der Steward grenzt die Frau aus.

Ebenso ist es eine Resonierende Empfindung, wenn jemand an eine Mauer sprüht: "Nazis raus!"

Nazis wollen Ausländer ausschließen - und der Sprühende will die Nazis ausschließen.

Es ist Resonanz, wenn ein Land "Mord" mit dem Tod bestraft und den Mörder hinrichtet, sprich: den Mörder ermordet.

 

Wenn wir einen ausschließenden Menschen wahrnehmen, unsere Aufmerksamkeit auf ihn richten (ihm in unserer Aufmerksamkeit den obersten Platz einräumen = eine Hierarchie herstellen), fühlen wir in uns selbst einen Ausschluss-Impuls und wollen dann den ausschließenden Menschen ausschließen. Dadurch "werden wir zum anderen" - und machen genau das gleiche wie er.

Schreit uns ein Mensch an, dann schreien wir manchmal zurück, dass er uns nicht anschreien soll.

Das sind die Resonierenden Empfindungen im Alltag - weit verbreitet und oft unbewusst.

 

Wenn uns im Alltag bewusst wird, wo wir selbst durch unsere Aufmerksamkeit eine Hierarchie herstellen (die Energie folgt der Aufmerksamkeit) und uns dadurch automatisch in "Resonanz" begeben (Warum ich fühle, was du fühlst), können wir leichter neue Wege beschreiten, aus der Resonanz heraustreten und das Ganze aus einem "geweiteten" Blickfeld heraus anschauen. Wir können besser eine Allparteilichkeit entwickeln, mit allen Beteiligten gleichzeitig mitfühlen und eventuell eine Lösung auf einer übergeordneten Ebene finden.

Beispiele:

Im Flugzeug sowohl den Afrikaner vor dem Verhaltensmuster der Frau schützen, als auch Verständnis für die Frau haben, deren ungelöste Verhaltensmuster getriggert wurden, mit denen sie sich noch stark identifiziert, und mit ihr eventuell darüber reden (denn neben ihr ist ja jetzt ein Platz frei).

Sich auf der einen Seite vor Mördern, schreienden und ausschließenden Menschen schützen, und gleichzeitig auf einer anderen Ebene Verständnis für sie haben, dass sie aus ihren ungelösten und unverarbeiteten Schmerzerlebnissen heraus (Problemtrancen) sich nur so verhalten können - und eventuell Hilfe benötigen.

Das bedeutet nicht, dass diese Personen für ihr Verhalten "entschuldigt" werden. Nein - sie müssen natürlich die Folgen für ihr Verhalten tragen. Aber das bedeutet, dass wir nicht selbst in Resonanz zum "Täter" so ein ausschließendes Verhalten an den Tag legen und nicht selbst zum "Täter" werden.

 

Diese Allparteilichkeit fällt uns leichter, wenn uns folgendes bewusst wird:

1. Durch unverarbeitete Schmerzen, durch schmerzvolle Verhaltensmuster wird eine Hierarchie hergestellt: Der Geschmerzte benötigt intensive Aufmerksamkeit und stellt sich daher in der Hierarchie ganz nach oben.

2. Wir als Wahrnehmende sind dadurch zunächst untergeordnet und nehmen Resonierende Empfindungen wahr = Schmerz / Stress.

Schon alleine dadurch, dass uns diese automatische Hierarchie bewusst wird, können wir schneller und leichter in uns selbst die Hierarchie wieder ändern. Wir stellen uns dieser Hierarchie des anderen nicht mehr zur Verfügung, lassen dem anderen seinen Wunsch nach Aufmerksamkeit, ordnen uns innerlich aber nicht mehr unter und können auf diese Weise das schmerzliche Resonanz-Gefühl in uns verringern oder sogar komplett auflösen. Dadurch wird ein umfassenderer Blickwinkel möglich, wir können eine allparteiliche und damit unabhängigere Haltung einnehmen.

 

 

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